Im Sommer scheint die Zeit verrückt zu spielen.
Obwohl die Tage so viel länger sind, verrinnen Juni, Juli
und August zwischen den Fingern wie der Schweiß, der sich auf den Hautporen
sammelt. Lauwarme Nächte ziehen vorbei, heiße Nachmittage unterm Schatten der
Sonnenschirme, Morgenstunden in denen ich von Hitze aus dem Bett getrieben
werde. Ein paar Male in den See springen, schon wechselt ein Monat den nächsten
ab.
Und doch sind da so viele Momente, in denen die Zeit stehen
bleibt. Sich ausdehnt, langsam und genüsslich wie eine große bunte Seifenblase.
Ich ziehe durch Berlin und sehe Menschen in Cafès, schweigend mit der Zunge
über ihre Oberlippe fahrend um den Schaum des Cappucchinos fortzuwischen,
schweigend in die Sonne blinzelnd, mit geschlossenen Augen. Berliner lächeln
plötzlich vor dem Supermarkt, bleiben stehen um dem Motzverkäufer ein paar Cents
zuzustecken, weil sie selber so zufrieden sind. Am Maybachufer liegen Pärchen,
stundenlang aufs schmutzig grüne Wasser starrend. Ich sehe in den wolkenlosen
Himmel und lasse Gedanken vorbeiziehen wie die schwache Brise, die ab und zu
durch die Bäume weht.
Dann sind da die Erinnerungen an vergangene Sommer,
De-Ja-Vùs von ganz genau diesen Momenten. Tagsüber barfuß auf warmem Asphalt schlendern,
abends den Grillen beim Zirpen zuhören, Augenblicke die im Herbst zerplatzen
wie die Seifenblasen auf den Open-Airs
auf denen junge, schöne Menschen zu Elektromusik tanzen. So zauberhaft die
Momente auch sind, im Verlauf der Jahre merke ich, dass sie sich wiederholen. Ich
sitze an denselben Orten in der Sonne, wandere durch dieselben warmen Straßen mit
denselben zufriedenen Gedanken, denselben glücklichen Leuten um mich herum.
Manchmal überkommt mich im Sommer diese seltsame
Melancholie. Weil ich merke, wie schnell die Zeit verrinnt und dass sich wenig
wirklich ändert. Vielleicht wäre es Zeit für etwas Neues. Endlich das
verwirklichen, wovon ich träume, wenn das Gras mich an den Füßen kitzelt und
ich mein Gesicht dem Licht entgegenstrecke. Die langen Tage nutzen, um große
Pläne zu realisieren. Handeln statt Momente auszudehnen. Kreativ sein statt nur
dazusitzen und zu tanzen.
Im Sommer überkommt mich das Gefühl, die stehen gebliebene
Zeit im richtigen Augenblick ergreifen zu müssen, weil sie vorbeizieht wie ein
rasender Zug. Träume in Realität verwandeln, weil das belanglose Träumen unter
wolkenlosem Himmel mir die Kraft schenkt, Träume zu verwirklichen. Ein Paradox.
Savinda sagte mal, Zeit sei eine Illusion. Vielleicht entblößt sich der
Charakter ihres Scheins in der Verrücktheit, die Zeit im Sommer zu spielen
scheint.